Beispielhaft für das "Leben" der Tische in der LESE - Adventsbrief des Pirandello - Tisches

(de) Aus der Tradition der LESE als einer Art "Lesekabinett" sind zahlreiche "Tische" entstanden. Das Interesse an politischen Nachrichten einerseits und die für den Einzelnen unerschwinglichen Kosten eines regelmäßigen Zeitungsbezuges andererseits führten damals, in der Frühzeit der Aufklärung, das selbständig werdende Bürgertum in Lesekabinetten zusammen, in denen man das gemeinsam Gelesene diskutieren konnte. Die Tradition des Lesekabinetts hat sich in der Form der Tische in der LESE heute fortgesetzt. Die Tische treffen sich zu festgesetzten Zeiten.

Beispielhaft für das „Leben" der Tische im Jahr 2024 veröffentlichen wir hier den „Adventsbrief“ des Pirandello -Tisches.

 

Liebe Pirandello-Damen- und -Herren, liebe Gäste,

wieder blicken wir auf ein Jahr zurück, das von vielen Krisen betroffen ist – politische Krisen in manchen Ländern, leider offenbar zunehmend auch solche mit kriegerischen Auseinandersetzungen, Armut, Flucht und Vertreibung, Klimawandel mit verstärkten Extremwettern, abnehmende Bereitschaft zu internationaler und globaler Kooperation. Fragen nach der fortwährenden Kraft unserer Demokratie nehmen auch bei uns in Deutschland zu. Immerhin haben wir dieses Jahr in vielfältiger Weise den 75. Jahrestag unseres Grundgesetzes und der Bundesrepublik Deutschland gefeiert – auch und gerade in Bonn. Mögen davon Impulse für den erfolgreichen Fortbestand unserer Demokratie ausgehen!

Auch in der LESE spielten solche Fragen eine Rolle. Dabei sollen aber Blicke in die Vergangenheit nicht zu kurz kommen. Dies alles gilt auch und in besonderem Maße für unseren Pirandello-Tisch.

Hier begannen wir im Januar mit einem Besuch in der Kirche St. Peter in Vilich. Wir konnten ihn für viele Teilnehmer durchführen, obwohl ein plötzlicher und für Bonner Verhältnisse ungewöhnlich starker Schneefall vielen Angemeldeten die Anreise zu sehr erschwert hatte. In der Kirche stellte Doris Busse die Krippe vor, die von ihr und ihrem Team jährlich nacheinander in verschiedenen bildlichen Darstellungen die Geschichte der Heiligen Familie in der Advents- und Weihnachtszeit veranschaulicht.

Im Februar referierte Bernhard Brasack vor dem Hintergrund seiner außenpolitischen Erfahrungen über die deutsche Wiedervereinigung und die Frage der NATO-Osterweiterung – ein Vorgang, bei dem neben dem Blick auf die autonomen Entscheidungen osteuropäischer Staaten immer auch der Blick auf die kritische Sicht Russlands trifft, aus der es u.a. eine Legitimität für seinen aktuellen Krieg gegen die Ukraine ableitet. Einen historischen Blick in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts bot uns der Film „Die besten Bonner Jahre – Beethoven und die Aufklärung am Rhein“. Er stammt von dem Bonner Filmemacher Georg Divossen und wurde im März im Hause Busse vorgeführt. Neben der Bedeutung Beethovens für Bonn behandelt er auch die Entwicklung der Illuminaten bis hin zur Entstehung unserer LESE. Mit alledem geschieht auch ein Bild von der wachsenden Bedeutung der Aufklärung für Bonn.

Der aktuelle Krieg Russlands gegen die Ukraine führt immer wieder zu der Frage, wie ein solcher Krieg beendet werden könnte. In seinem Referat im April schilderte uns Kapitän zur See Uwe Dirks die Schlussphase des 1. Weltkriegs und die Rolle, die damals der US-Präsident Wilson durch den Kriegseintritt der USA im Jahre 1917 spielte. Segel-Erlebnisse im Norden, insbesondere in Grönland, waren das Thema des Lichtbildervortrags von Dr. Volker Herrmann, der uns diese Landschaft im Mai nahebrachte. Im Juni fand unser mittlerweile fast schon traditioneller Sommerplauderabend in der Weinmühle in Oberdollendorf statt.

Der Besichtigung des Fraunhofer-Instituts in Wachtberg-Berkum galt unser Juli-Termin. Durch Lichtbildervortrag und Führung wurde uns die Arbeit des Instituts nahegebracht. Von besonderer Bedeutung ist dort der Weltraumbeobachtungsradon Tira mit dem weltweit größten Radon, durch das Radarbeobachtung bis weit in den Weltraum stattfindet. Weit entferntes Gestirn, nicht zuletzt aber besorgniserregend anwachsender Weltraumschrott gehört zu den Beobachtungsaufgaben des Instituts. Im August waren Klimakrise und Flucht unser Thema. Der nationale Direktor der UNO-Flüchtlingshilfe Peter Ruhenstroth-Bauer trug uns dazu vor. Über 117 Mio. Menschen waren bis Ende des Jahres 2023 weltweit auf der Flucht. Unser Referent führte uns eindrucksvoll vor Augen, zu welchen Herausforderungen das führt und wie sich die Welthungerhilfe dem stellt.

Die Bauten des Bundes in und um Bonn in den Jahren 1973 bis 1977 waren im September Thema des Vortrags des Bausachverständigen Klaus Hudel, der durch die Bundesbaudirektion im – wie er es formulierte – „Maschinenraum der Bundesverwaltung“ mitwirkte, und zwar insbesondere zu den Gebäuden von Bundestag und Bundesrat. Die Reihe der Vorträge am Pirandello-Tisch beschloss im Oktober Karin Schwippert unter dem Titel „Wiens kleiner Bruder am Meer – Ein literarischer Spaziergang durch Triest“. Über zahlreiche nationale und internationale Schriften brachte sie uns die historische und kulturelle Bedeutung von Triest in anschaulicher Weise nahe. Im November schließlich fand unser jährliches Gänse-Essen im Haus am Rhein statt.

Unsere Pirandello-Treffen waren stets von der traditionellen harmonischen Atmosphäre geprägt. Anregende Diskussionen zu den jeweiligen Vorträgen und gute Gespräche miteinander zeichneten die Abende aus, die überwiegend im Haus am Rhein oder im Wald-Café stattfanden. Viele Beiträge zu unseren Treffen und dem jeweiligen Programm sind von LESE-Mitgliedern geleistet oder inspiriert worden. Dafür sage ich meinen herzlichen Dank. Das Programm für 2025 steht bereits weitgehend. Weitere Angebote und Anregungen, insbesondere für die 2. Jahreshälfte, sind aber herzlich willkommen.

Persönlich blicken wir auf einige besondere Geburtstage zurück. Ihren 80. Geburtstag feierten Doris Busse, Marion Engel, Erika Herren und Dieter Jepsen-Föge. Abschied nehmen mussten wir von Dr. Hans-Henning Kaysers und Dr. Hansjörg Dellmann; Sie hatten die LESE insgesamt und insbesondere den Pirandello-Tisch durch ihr Engagement mit Vorträgen und zahlreichen sonstigen Beiträgen sehr bereichert.

Meine Frau und ich wünschen Ihnen von Herzen alles Gute für die Adventszeit, die Weihnachtstage und den Start ins Neue Jahr. Wir freuen uns auf viele schöne Begegnungen in der LESE und insbesondere natürlich am Pirandello-Tisch.

Auch im Namen meiner Frau grüße ich Sie sehr herzlich

 

Volker Busse