Verfemt und hoch gelobt - Wer war Arno Breker - Vortrag von Dr.Ulrich Spindler am Pirandellotisch

Verfemt und hoch gelobt - Wer war Arno Breker - Vortrag von Dr.Ulrich Spindler am Pirandellotisch

 

Arno Breker (1900–1991) zählt zu den umstrittensten Künstlergestalten des 20. Jahrhunderts in Deutschland. Glaubt man den Medien prägte er als „Hitlers bevorzugter Bildhauer“ die offizielle Kunst im Dritten Reich maßgeblich mit. Seine monumentalen Skulpturen idealisierter „arischer“ Körper galten dem NS-Regime als Verkörperung ihrer rassistischen Ideale. Doch die glänzende Karriere, die Breker im Nationalsozialismus machte, wirft einen dunklen Schatten: War sein künstlerischer Erfolg untrennbar verknüpft mit moralischer Verstrickung in das verbrecherische Regime? Mit diesem Thema befasste sich jetzt Lesefreund Dr.Ulrich Spindler in seinem Vortrag vor Mitgliedern und Freunden des Pirandello – Tisches bei dessen monatlichen Treffen.

 

Eingangs verwies Spindler auf Peter Suhrkamp: Als die Erben des 1934 verstorbenen Verlegers Samuel Fischer Deutschland verließen, übertrugen sie diesem die Leitung des Verlagshauses, in dem u.a. Thomas Mann und Hermann Hesse erschienen. 1944 - zehn Jahre später - bezeichnete Goebbels dieses Unternehmen als den „Verlag des 20. Juli“. Hesse hatte Suhrkamp in einem Brief, der der Gestapo in die Hände gefallen war, als „Haupt des geistigen Widerstandes gegen Hitler“ bezeichnet. Der Verlagschef wurde festgenommen. Zwei Jahre später – als der Spuk vorüber war – schrieb er „Als ich verhaftet wurde, war Arno Breker der Einzige, der - auf Bitten meiner Frau – persönliche Schritte zu meiner Befreiung unternahm. Er hat sich darin nicht beirren lassen als die Anklage gegen mich auf Hoch- und Landesverrat lautete und als ihm von höchsten Stellen die Gefahr eines Eintretens für mich bedeutet wurde. Er hat persönliche Gefahr nicht gescheut und mich im Gefängnis besucht als ich dem Volksgerichtshof zum Prozess überstellt war, obgleich ihm mitgeteilt wurde, dass mir der Strang bestimmt sei.“

 

Suhrkamp berichtet weiter, dass Breker auch viele französische Freunde, die in die Fänge der Gestapo geraten waren, „vor dem Äußersten gerettet“ hat. Der bedeutsamste Fall hat sich 1943 in Paris ereignet, als die Verhaftung und Deportation Pablo Picassos vorbereitet wurde, der Kontakte zu Mitgliedern der Résistance hatte.

 

So ergebe sich die Frage: Wer war dieser Mann Arno Breker, an dessen künstlerischem Werk sich die Meinungen heute noch scheiden? In einem Katalog des Kölner Kunsthauses Lempertz werde festgestellt: „Arno Breker ist der vielleicht umstrittenste deutsche Künstler des 20. Jahrhunderts; bis heute steht die Rezeption seiner Kunst im Spannungsfeld zwischen Bewunderung und Verfemung.“

 

Bevor er diese Frage beantwortete, stellte Spindler Brekers beeindruckende Vita vor. Breker wurde am 19. Juli 1900 als ältester Sohn des Steinmetzmeisters Arnold Breker in Wuppertal-Elberfeld geboren. Ab 1920 besuchte er die Düsseldorfer Kunstakademie.Es folgten ausgedehnte Aufenthalte in Paris, wo er bei Aristide Maillol und Charles Despiau studierte. 1927 siedelte er ganz nach Frankreich über und pflegte freundschaftliche Beziehungen zu Künstlern wie Alexander Calder (mit dem berühmten US-amerikanischen Mobile-Künstler teilte er ein Jahr lang sein Atelier), Giovanni Giacometti, Jean Cocteau, dem Fotographen Man Ray und zum Bildhauer Paul Belmondo (dem Vater des berühmten Filmschauspielers). Die Freundschaft zu Jean Cocteau war besonders eng, sie hielt durch alle politischen Umwälzungen hindurch bis zu Cocteaus Tod im Jahre 1963.

 

In seinem fünften Pariser Jahr, 1932/33 erhielt Breker ein Stipendium des preußischen Kulturministeriums für die Villa Massimo in Rom, der heute noch bedeutendsten Einrichtung zur Förderung deutscher Spitzenkünstler durch einen Studienaufenthalt in Italien. Die dortigen antiken Monumentalskulpturen der Griechen und Römer beeindruckten ihn sehr, vor allem aber das Werk Michelangelos. So rekonstruierte er das letzte unvollendete Werk Michelangelos, die Pietà Rondanini.

 

Auf Anraten von Max Liebermann, der ihn nach den politischen Umwälzungen bat, „zu retten, was zu retten ist“, kehrte Breker 1934 nicht von Rom nach Paris zurück, sondern ging nach Berlin. Die neue nationalsozialistische Regierung witterte jedoch in Breker einen frankophilen Avantgardisten. Das änderte sich schlagartig im Jahre 1936 welches der Künstler selbst als Wendepunkt in seinem Leben bezeichnete. Denn Breker nahm am Wettbewerb um die künstlerische Gestaltung der Olympiade in Berlin teil. Hierbei gewann er eine Silbermedaille. Bis heute stehen seine beiden Wettbewerbs-Skulpturen „Der Zehnkämpfer“ und „Die Siegerin“ am Berliner Olympiastadion.

 

Damit wurde auch Adolf Hitler auf ihn aufmerksam. Breker erhielt zunehmend häufiger öffentliche Skulpturen-Aufträge, so für den Neubau der Reichskanzlei und die geplante Neugestaltung Berlins. Daher hatte er nach Kriegsende trotz seines Freispruchs im Entnazifizierungsverfahren mit zahlreichen Anfeindungen zu kämpfen, die seine idealisierende Ästhetik kritisierten und ihn am Liebsten ganz aus dem Kunstbetrieb verbannen wollten. Künstlerkollegen wie Ernst Fuchs hingegen lobten die Schönheit seiner Werke, Salvador Dali nannte ihn gar den größten Bildhauer des 20. Jahrhunderts.

Breker hatte sich von der Ideologie des Nationalsozialismus distanziert – vielleicht nicht früh und nicht deutlich genug. Er starb im Oktober 1991 in Düsseldorf wo er die letzten Jahre seines Lebens verbracht hatte.

Krasser als in den dargestellten Positionen kann die Bewertung eines Künstlers kaum auseinandergehen. Allein dieser Widerspruch ist ein guter Grund, genauer die Werke Arno Brekers zu betrachten, was beispielsweise 2006 in einer großen Ausstellung in Schwerin möglich war“, so der Referent zum Schluss, um dann in einem großen Bogen einzelne Werke von Breker zu beschreiben. Die Namen der von Arno Breker in der Nachkriegszeit porträtierten Personen aus der Politik, der Wirtschaft und auch der Kunst ist beeindruckend, angefangen bei Konrad Adenauer über Ludwig Erhard bis hin zu Wilhelm Kempff, die sich alle von Breker porträtieren ließen. Auch ausländische Staatsmänner saßen ihm Modell wie der frühere ägyptische Präsident Anwar El Sadat. Adenauer übrigens habe mit rheinischer Gelassenheit alle Einwände dagegen vom Tisch gefegt: „Kunst ist Kunst, und ein Künstler ist nicht zu politisieren.“

 

"Ein großartiger Vortrag, Nun erst habe ich Arno Breker richtig kennengelernt.", lautete das Urteil eines begeisterten Zuhörers. Und das Publikum dankte Ulrich Spindler mit lang anhaltendem Beifall.(de.)