Oh Mosella - eine LESE - Reise mit historischen und kulinarischen Höhepunkten

Oh Mosella - eine LESE - Reise mit historischen und kulinarischen Höhepunkten

Ein Reisebericht von Birgit Lüders

Künstliche Intelligenz (KI) muss es ja wissen: „Die Moselregion ist bekannt für ihre romantische Atmosphäre und malerische Landschaft.“ Die Richtigkeit dieser Aussage überprüfte jetzt eine Reisegruppe der Bonner LESE mit einer Reise in eben jene Region..

Der Freitag startete mit Regen, was der guten Laune der Reisegesellschaft jedoch keinen Abbruch tat. Bereits nach eineinhalb Stunden Fahrtzeit – bestens versorgt mit Informationsmaterial über die Region - erwartet uns bei sich langsam aufklarendem Wetter unsere erste Gästeführerin in Cochem. Hätten Sie es gewusst? Mit knapp über 5.000 Einwohnern ist Cochem die kleinste Kreisstadt Deutschlands und der größte Ort des Landkreises Cochem-Zell in Rheinland-Pfalz. Beiderseits der Mosel gelegen, verfügt Cochem über zwei (!) Brücken. Und hier noch etwas für Technik-Fans: Der zweigleisig betriebene Kaiser-Wilhelm-Tunnel, erbaut 1874 bis 1877 verkürzt die Moselstrecke zwischen Cochem und Ediger-Eller von 21 Kilometer auf 4,2 Kilometer.

Wahrzeichen der Stadt ist die über 1.000 Jahre alte Reichsburg. Bis 1224 war Cochem Reichsgut und königliche Zollstätte. Aus Geldnot verpfändete König Adolf von Nassau das Gebiet an das Erzbistum Trier, bei dem es bis 1796 blieb. Dann besetzten die französischen Revolutionstruppen Cochem und das gesamte Rheintal und gliederten es Frankreich ein. 1815 wurde die Stadt auf dem Wiener Kongress dem Königreich Preußen zugeordnet und kam dann zur preußischen Rheinprovinz.

Wir beginnen unseren Rundgang mit der Besichtigung der Pfarrkirche St. Martin, deren großzügiger Erweiterungsbau nach Plänen des Architekten Dominikus Böhm aus Köln errichtet wurde. Beeindruckend ist vor allem das Lichtspiel der neuen Fenster, die den britischen Künstlern Graham Jones und Patrick Reyntiens zu verdanken sind. Interessant ist auch eine zweigeteilte Orgel der Fa. Oberlinger aus dem Jahr 1997 mit nur einem Manual.

Dann schlendern wir zum Enderttor, einem der drei noch gut erhaltenen, bewehrten Stadttore mit Torwächterwohnung, Stadtgefängnis und Wohnhaus sowie „Alter Thorschenke“. Von dort gehen wir durch enge Gassen auf den Markt mit seinen prächtigen Fachwerkbauten, halten an den Hochwassermarken in der Altstadt, die die Mosel regelmäßig heimsucht. Doch die Menschen haben gelernt, durch allerlei Vorsorge mit dieser Naturgewalt umzugehen. Kurios das „Fuchsloch“ in der Stadtmauer, das man nur mit eingezogenem Kopf durchschreiten kann. Es ist das kleinste Stadttor in Cochem, das uns auf die Moselpromenade mit ihren Cafés führt.

Wir nehmen den Shuttle-Bus zur Reichsburg, die hoch über der Stadt auf einem steilen Bergkegel thront. Die spektakuläre Aussicht lässt uns verstehen, warum so viele Menschen den Weg hier herauf auf sich nehmen. 1689 durch Truppen des französischen Sonnenkönigs zerstört, kaufte der Berliner Kaufmann Louis Frederic Jacques Ravené, Nachfahre einer hugenottischen Familie aus Frankreich, 1866 die Ruine und baute sie im neugotischen Stil wieder auf. Seit 1978 ist die Burg im Besitz der Stadt Cochem.

Und weiter geht’s! Bei angenehmem Wetter lassen wir es uns an Deck der „Wappen von Cochem“, einem Schiff der Mosel-Personen-Schifffahrt gut gehen. Die Mosel ist eine der meist befahrenen Wasserstraßen Europas. Mit dem Moselvertrag von 1956 beschlossen Deutschland, Frankreich und Luxemburg, den Fluss von Koblenz bis Thionville mit Staustufen auszubauen. Heute sind 394 Kilometer der Mosel mit insgesamt 28 Staustufen für Schiffe bis 1.500 Tonnen befahrbar. Wir blicken auf beeindruckende Steilhänge an den Ufern, fahren ohne Wartezeiten mit dem Schiff durch die Schleuse bei Fankel (Fallhöhe 7 Meter) und erblicken nach ca. einer Stunde das Karmeliterkloster und die Burg Metternich in Beilstein (wie auch die Reichsburg zerstört im pfälzischen Erbfolgekrieg durch Truppen Ludwigs XIV.). Beilstein, das „Dornröschen der Mosel“, Inbegriff der Moselromantik, Schauplatz vieler alter Filme der 50er und 60er Jahre.

Wir steigen in den Bus zu einer Panoramafahrt u.a. vorbei am berühmten Calmont-Klettersteig nach Enkirch, wo uns der nächste Programmpunkt erwartet.

Das Weingut Immich-Anker ist seit 1425 in Familienbesitz. Der junge Chef und sein Papa gewähren uns einen authentischen Einblick in Leben und Arbeit einer Winzerfamilie. Wir besichtigen den Weinkeller, der auch regelmäßig von der Mosel geflutet wird, sehen verschlammte Flaschen, die nicht rechtzeitig gereinigt werden konnten, erfahren, dass der dunkle Belag an den Wänden und das feuchte Klima gut für den Wein sind, und was es mit den Eichen-Fässern und Edelstahltanks auf sich hat. Wir lernen, dass der Beruf des Küfers immer seltener wird. Die Riesling-Traube, typisch für die Mosel, kommt gut mit den kargen Schieferböden zurecht, da die Reben bis zu 20 Meter tief wurzeln. Zwischen Eifel und Hunsrück werden zu zwei Dritteln Riesling angebaut, das andere Drittel teilen sich Müller-Thurgau, Elbling, Pinot Blanc und Pinot Noir.

Wo immer es geht, werden Schädlinge auf natürliche Weise bekämpft, z.B. durch das Aufpfropfen resistenter Reben auf alte Stöcke. Die Steilhanglagen mit einer Hangneigung zwischen 30 und 68 (!) Prozent, erfordern einen hohen Aufwand im Vergleich zum Ertrag. Viele Wingerte liegen daher auch in Enkirch und Umgebung brach. Mit Steillagen-Förderprogrammen wollen EU, Bund und Land die einzigartige Weinbaukultur an der Mosel erhalten. Die jungen Winzer gehen neue Wege und setzen dabei auf Qualität. Sie nutzen das Thema Herkunft als wichtigstes Kennzeichen zur qualitativen Einordnung der Weine und verzichten auf das alte Prädikatsweine-System. Das neue Logo heißt „Maxime Herkunft Mosel“.

Zum Abschluss des Tages lassen wir uns in unserem gemütlichen Landhotel, ebenfalls ein sehr engagiert geführter Familienbetrieb, bei gutem Essen und einem Schoppen Moselwein verwöhnen.

Am nächsten Tag geht es nach Trier. Dass auch die alten Römer die Mosel schon sehr geschätzt haben, macht LESE-Literatin Rosemarie Kuper in ihrem kurzweiligen Busvortrag über den Römer Ausonius, einem der bedeutendsten Gelehrten seiner Zeit, und seinem Gedicht „Mosella“ deutlich. Offensichtlich sind Ausonius‘ Ansichten heute noch immer gefragt, da der Reclam-Verlag das Gedicht auch aktuell im lateinischen Original und deutscher Übersetzung anbietet.

Apropos Geschichte: Die Bonner LESE betrieb Anfang des 20. Jahrhunderts in dem von Ausonius besungenen Neumagen an der Mittelmosel ein Weinkontor. Das exzellente Image des Moselweins beflügelte um die Jahrhundertwende den Weinhandel. Berühmt wurde der Ort aber besonders durch die archäologischen Funde der Weinschiffe auf Grabmälern, die heute im Rheinischen Landesmuseum in Trier besichtigt werden können.

In Trier, der vielleicht ältesten Stadt im heutigen Deutschland, erwartet uns eine ausgezeichnete Stadtführung mit einem jungen Mann, der auch Mitarbeiter des Rheinischen Landesmuseum ist. Von einem Aussichtspunkt verschaffen wir uns einen Überblick über die auf beiden Seiten der Mosel gelegene Stadt. 50 v. Chr. eroberten römische Legionen das Siedlungsgebiet der Treverer an der Mosel und gründeten im Jahr 17 v. Chr. am Schnittpunkt der Heerstraßen „Augusta Treverorum“, das heutige Trier.

1986 wurden Triers antike Kulturdenkmäler wie Konstantin-Basilika, Kaiser- und Barbarathermen, Amphitheater, Römerbrücke und natürlich das Wahrzeichen der Stadt, die 1000 Jahre alte Porta Nigra UNESCO-Weltkulturerbe. Die Konstantin-Basilika als ehemalige römische Palastaula, Thronsaal Kaiser Konstantins des Großen und heutige Ev. Kirche zum Erlöser dokumentiert Triers Aufstieg zur Kaiserresidenz und Hauptstadt des Weströmischen Reichs. Aber auch die mittelalterliche gotische Liebfrauenkirche gehört zum Welterbe ebenso wie der Dom St. Peter, der ältesten Bischofskirche Deutschlands, die regelmäßig Ziel der Heilig-Rock-Wallfahrten ist. Helena, die Mutter Kaiser Konstantins trug maßgeblich dazu bei, dass Trier ein bedeutendes Zentrum der Christenheit wurde. In Trier haben römische Kaiser, Bischöfe und Kurfürsten Geschichte geschrieben. Nicht nur Römer auch Kelten, Alamannen, Franken und Normannen haben hier ihre Spuren hinterlassen. Oft ging es in der Geschichte unfriedlich zu. Politische Wirren, wirtschaftliche Verelendung wechselten sich mit Zeiten großer Prosperität mit Förderung von Wissenschaft und Schulwesen ab.

Wie auch an vielen anderen Orten breitete sich am Ende des 16. Jahrhunderts der Hexenwahn aus. Der Trierer Jesuit Friedrich Spee, Professor der Moraltheologie, wandte sich entschieden gegen diese furchtbare geistige Verirrung und verurteilte die grausamen Prozesse mit harten Worten. In Folge der Napoleonischen Kriege kommt Trier 1798 zu Frankreich und wird Sitz des französischen Saardepartments, 1815 wird auch Trier im Zuge der Befreiungskriege preußisch. Nach dem 2. Weltkrieg und dem Ende der französischen Besatzung bleibt Trier bis 1990 Garnisonsstadt.

Heute ist das rheinland-pfälzische Trier eine Universitätsstadt mit ca. 100.000 Einwohnern. Tourismus und Weinbau spielen für die Wirtschaft eine große Rolle. Trier darf jedes Jahr auch viele Gäste aus Asien begrüßen. 2018, anlässlich des 200. Geburtstags des Philosophen und Ökonomen Karl Marx, einem gebürtigen Trierer, schenkte der chinesische Staat der Stadt eine 5,5 m hohe Karl-Marx-Statue des chinesischen Künstlers Wu Weishan.

Nach einem stärkenden Mittagessen auf einer lauschigen Terrasse geht es 50 Kilometer weiter Mosel abwärts nach Bernkastel-Kues, ebenfalls auf beiden Seiten der Mosel gelegen: 7.000 Einwohner, oberhalb der Stadt thront Burg Landshut (1692 durch Feuer zerstört), idyllischer mittelalterlicher Markt, Giebelfachwerkhäuser aus dem 17. Jahrhundert, Renaissance Rathaus. 1401 wurde hier einer der bedeutendsten Denker der Frührenaissance am linken Moselufer geboren, der Philosoph, Jurist, Mathematiker, Theologe und spätere Kardinal Nikolaus von Kues (lat. Cusanus). Bis heute besteht das von ihm 1447 gestiftete Hospital, einem Armenstift (Cusanusstift) mit Kapelle, berühmter Bibliothek und historischem Weingut. Wir genießen die malerische Kulisse der Ortsmitte bei einer Tasse Kaffee, bevor wir wieder nach Enkirch ins Hotel fahren.

Gut gelaunt und bei bestem Wetter checken wir am nächsten Morgen aus und fahren nach Zell an der Mosel. Zell, schon vor römischer Zeit datiert, verfügt aufgrund zweier verheerender Brände, die viele historische Gebäude vernichtet haben, über wenige mittelalterliche Häuser. Erhalten ist noch das Kurfürstliche Schloss, das 1530 bis 1542 als Amtssitz für die erzbischöflichen Beamten erbaut wurde. Es wird heute als Hotel genutzt. Dass der Hunsrückschiefer nicht nur für den Weinbau gut ist, kann man an zahlreichen Dächern erkennen, die mit dem dunklen Naturmaterial eingedeckt sind. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts ist der Name „Zeller Schwarze Katz“ für die Wein-Lagen Kabertchen und Petersborn ein Begriff. Nach einer Krise des Weinbaus in den 60er Jahren, ist die Schwarze Katz heute wieder ein Qualitätssiegel, das sich aber nicht mehr nur auf die beide Top-Lagen beschränkt. Zell ist insofern ein besonderer Ort an der Mosel, als hier der engste Moselbogen, der sog. Zeller Hamm (lat. hamus = Haken) verläuft. Auf den „Hamm“ bezieht sich auch der am Katzenbrunnen verewigte Spruch des Kurfürsten Richard von Greiffenclau: „He steiht ferm wie en Zeller us dem Hamm“ (Er steht fest wie ein Zeller aus dem Hamm), womit er den Mut und die Tapferkeit bei der Verteidigung Triers gegen Franz von Sickingens Truppen gelobt haben soll (1522/23).

Unsere letzte Station, bevor es wieder nach Hause geht, ist Koblenz. Wer kennt es nicht, das Deutsche Eck mit dem imposanten Kaiser-Wilhelm-Denkmal, Reiterstandbild für den ersten deutschen Kaiser? Die Mosel, die in den Vogesen entspringt, mündet nach 520 km hier in den Rhein: Confluentes, die Stadt am Zusammenfluss der beiden Flüsse, das heutige Koblenz. Ein nicht minder geschichtsträchtiger Ort: Kurfürstliche Residenz, Regierungssitz der Preußischen Rheinprovinz, 1947-1950 Landeshauptstadt, Garnisonsstadt, Universitätsstadt. An der Entwicklung der Stadt Koblenz hatten die Trierer Erzbischöfe mit dem Ausbau der Feste Ehrenbreitstein maßgeblichen Anteil.

Wir beginnen unseren Rundgang am Peter-Altmeier-Ufer an der Moselseite und gehen von dort in die Koblenzer Altstadt. Häuser verschiedener Epochen erinnern an den Reichtum einer von fleißigen Kaufleuten geführten Stadt. Zeitweise war Koblenz der bedeutendste Umschlagplatz für Wein. Auch dort wandeln wir wieder auf den Spuren des Nikolaus von Kues, Kardinal, Päpstlicher Legat, Fürstbischof. 1427 trat Cusanus in den Dienst des Erzbischofs von Trier, von dem er die Dekanei am Stift St. Florin in Koblenz als Pfründe erhielt, deren Geschicke er zwei Jahrzehnte leitete. Die Florinskirche ist seit 1818 evangelisch. Am höchsten Punkt der Altstadt befindet sich die Liebfrauenkirche, die auf den Grundmauern eines römischen Saalbaus des 5./6. Jahrhunderts errichtet wurde. Wir passieren „Maatfrau“ und Schutzmann, Originale am Münzplatz und halten vor dem ehemaligen Haus Metternich. Hier wurde 1773 Clemens Fürst von Metternich geboren, der maßgeblich auf dem Wiener Kongress an der Neugestaltung Europas am Ende der napoleonischen Ära beteiligt war. Sein Name steht für das Zeitalter der Restauration, das monarchische Prinzip und dem letztlich vergeblichen Versuch, den liberalen und nationalen Kräften des 19. Jahrhunderts Einhalt zu gebieten. Zum Abschluss unserer Runde bummeln wir durch die Marktstraße, am historischen Rathaus vorbei zum Schängelbrunnen, wo der freche Lausbub überraschend Wasser auf Passanten spukt. Für die Einheimischen ist der Schängel der ‚Kowelenzer‘ schlechthin. Wir sagen dem Schängel ade und treten nach drei ereignisreichen, spannenden Reisetagen die Heimreise an.

Wir sind uns einig: Egal, ob man die Mosel bereits durch Familienurlaube kennt, als Kind mit den Eltern dort war, wie der in Köln geborene Schriftsteller Hanns-Josef Ortheil im Jahr 1961 („Die Moselreise“), oder ob man nach der Wende auf Entdeckungsreise gegangen ist, mehr als 2000 Jahre Geschichte, die schöne Landschaft, das gute Essen und ein Schoppen Wein lohnen immer wieder den Besuch.

Bleibt uns zum Schluss noch allen am guten Gelingen der Reise Beteiligten im Namen der Reisegruppe ganz herzlich zu danken, insbesondere Christel Pfletschinger und Christel Spindler vom Veranstaltungsausschuss der LESE, die ideenreich und engagiert die Reiseleitung übernommen haben.

Fotos: Birgit Lüders