„Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode“ fasste Staatssekretär a.D. Prof. Dr. Manfred Popp - halb scherzhaft, halb ironisch – seinen Vortrag zum Thema „Chancen und Gefahren einer Energiewende“ kürzlich vor mehr als 30 Mitgliedern und Freunden des Pirandello – Tisches zusammen.
Mit dem Referenten, der eigens aus Karlsruhe angereist war, war es dem Tischvorsitzenden Volker Busse gelungen, einen der besten Kenner und Gestalter der Materie in Deutschland für diesen Vortrag zu gewinnen: Als Kernphysiker in Bonn 1970 mit Auszeichnung promoviert, leitete er von 1976 bis 1987 die Unterabteilung „Energieforschung“ im damaligen Bundesministerium für Forschung und Technologie, war dann Staatssekretär im Hessischen Ministerium für Umwelt und Reaktorsicherheit, Aufsichtsratsvorsitzender u.a. des Großforschungszentrums in Jülich, von 1991 bis 2006 Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Karlsruhe und federführend beim Zusammenschluss dieses Forschungszentrums mit der dortigen Universität zum Karlsruher Institut für Technologie (KIT) im Jahr 2006.
In einer knappen Stunde gab Prof. Dr. Popp den gebannt lauschenden Zuhörern einen souveränen Überblick - mit zahlreichen Folien, Tabellen und Schaubildern verdeutlicht - über Entwicklung und Stand der für das menschliche Leben so unentbehrlichen Energiegewinnung vor dem Hintergrund der anthropogenen (menschengemachten) Klimaerwärmung. Dabei schlug er den Bogen von der Zähmung des Feuers durch den Menschen - der mehr als 3000 Jahre alten Errungenschaft, das Essen zu kochen und zu braten – über das Ziegelbrennen der alten Römer, die Kohle befeuerten Dampfschiffe Anfang des 19. Jahrhunderts, die Beleuchtung mit Kohle-Gas vor 170 Jahren bis hin zur Nutzung von Öl und Kernenergie seit 1945 und dem Ausbau der erneuerbaren Energien von Wasser, Sonne und Wind im 21. Jahrtausend.
Popp erinnerte an den deutschen Meteorologen Prof. Dr. Hermann Flohn (1912 - 1997, seit 1961 Direktor des neugegründeten Meteorologischen Instituts der Universität Bonn), der bereits 1941/1965 auf das Phänomen der anthropogenen Klimaerwärmung im Zuge der Industrialisierung aufmerksam gemacht hatte, an die verschiedenen Klimakonferenzen seit der Klimakonferenz von 1992 und stellte ernüchternd fest, dass das Ziel der Pariser Klimakonferenz von 2015, die Erderwärmung auf plus 1,5 Grad zu beschränken, nicht mehr erreichbar sei.
Er erläuterte, wie sich die verschiedenen Energiewenden im Deutschland der Nachkriegszeit vollzogen haben: Von der Kohle zu Öl und Gas sowie ab 1973 der Ausbau der Kernenergie, die Inbetriebnahme des letzten deutschen KKW 1982, die Restlaufzeiten der KKW ab 1999, die Konzentration auf die erneuerbaren Energien und den Abschied von der Kernkraft nach Fukushima im Frühjahr 2011 mit dem damit verbundenen Dilemma, dass Energie - sprich Stromversorgung - rund um die Uhr gewährleistet sein muss und uns für die sog. Grundlast nur CO2 produzierende Kraftwerke zur Verfügung stehen, da die erneuerbaren Energien nicht immer zuverlässig liefern.
Dabei deutete der Referent die dahinter stehenden Grundprobleme an: Dass Natur und Technik eben unterschiedliche Geschwindigkeiten inhärent sind, dass Energie-Kraftwerkstechnik ganz andere und viel längere (40 bis 50 Jahre) Innovations- und Rentabilitätszyklen hat als „gewöhnliche“ Industrie oder gar IT und KI und dass Biomasse zwar eine speicher fähige erneuerbare Energie ist, jedoch nur eine Energieeffizienz von 1% besitzt.
Popp stellte der Aussage: „Die Sonne schickt keine Rechnung“ die immensen Kosten der laufenden Energiewende gegenüber: Rund 500 Milliarden Euro für den Aufbau eines neuen Gas - Kraftwerkparks, ca. 500 Milliarden Euro für den Nord-Süd-Stromnetz-Ausbau. Und: Wasserstoff mit Sonnen- und Windenergie zu gewinnen, ist ca. 4mal so teuer wie Erdgas. Hohe Energiepreise führen zur Deindustrialisierung unserer Wirtschaft.
Abschließend empfahl Prof. Dr. Popp zwei Lösungsansätze: Erstens müssen wir uns in Mitteleuropa, aber auch weltweit auf die Klimaveränderung einstellen; es wird eben wärmer und das sei nicht neu, wie die Geologie der Grube Messel bei Darmstadt zeige: Vor ca. 50 Millionen Jahren hatten wir in Mitteleuropa subtropisches Klima.
Zweitens sei es für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes viel effizienter, vor allem in den Entwicklungsländern für erneuerbare Energien zu investieren als mit unverhältnismäßig hohen Kosten bei uns die Klimaneutralität um einige wenige Prozentpunkte weiter zu verringern.
Dem Vortrag schloss sich eine lebhafte Diskussion der sichtlich betroffenen Zuhörerschaft an.
Auf Fragen zu KKW und zur Kernfusion erläuterte Prof. Dr. Popp: Die deutschen KKW seien solche der „ersten Generation“ gewesen, technisch gut und hoch verfügbar, aber die Forschung sei inzwischen deutlich weiter, so dass neue und noch sichere KKWs möglich, diese aber in Deutschland indessen nicht mehr realistisch seien, „obwohl auch das Entsorgungsproblem lösbar ist“. Allerdings sei hier die Suche - wie generell - nach der allerbesten Lösung eine Illusion, der man in Deutschland noch anhänge. Bei der Kernfusion als Energiequelle sei man - wie vor 50 Jahren - immer noch 40-50 Jahre von einer industriellen Nutzung entfernt.
Manfred Popp entließ sein LESE-Publikum mit dem ebenso realistischen wie bedrückenden Resümee: „Die Schlacht gegen die Klimaveränderung ist längst verloren“. Denn das einmal ausgeschiedene CO2 bleibt in der Erdatmosphäre, reichert sich dort weiter an und hat einen fatalen Rückkopplungseffekt: Je wärmer es wird, um so mehr CO2 wird auf der Erde, etwa aus den Meeren, freigesetzt.(JH/de)