"Wir sind keine Preiskontrollbehörde" - Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts über die Aufgaben seiner Behörde

"Wir sind keine Preiskontrollbehörde" - Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts über die Aufgaben seiner Behörde

 

Über “Kartelle, Spritpreis und Tech-Giganten - Das Kartellamt an vielen Fronten“ sprach jetzt der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt vor über 40 gebannt lauschenden Zuhörern auf Einladung der Lese- und Erholungsgesellschaft in Bonn.

 

Das Bundeskartellamt habe, so betonte der Präsident einleitend, die Rolle, als Schiedsrichter des Wirtschaftslebens zu fungieren. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sei das Grundgesetz der sozialen Marktwirtschaft, wie es Erhard einst formulierte. Dabei habe das Verbot von Kartellen in Deutschland keine lange Tradition. 1900 habe es im Gegenteil 2000 registrierte Kartelle gegeben. Das Reichsgericht habe in mehreren Entscheidungen Kartelle als einen wichtigen Wirtschaftszweig bezeichnet.

 

Auch deshalb sei die Etablierung einer Kartellbehörde in der Bundesrepublik kein Selbstläufer gewesen Der damalige Wirtschaftsminister Ludwig Erhard habe ohne Flankenschutz durch Konrad Adenauer heftigen Widerstand aus der Wirtschaft überwinden müssen. So habe der seinerzeitige BDI-Präsident gar die Auffassung vertreten, mit der Einführung des GWB finde das freie Unternehmertum in Deutschland sein Ende.

 

Als das Bundeskartellamt, so der Präsident weiter, im Jahr 1958 seine Tätigkeit aufnahm, hatte es 53 Mitarbeiter – inzwischen sind es ca. 420. Die Überwachung war zunächst auf die Kartellverfolgung und eine Missbrauchsaufsicht bei Unternehmen mit marktbeherrschender Stellung beschränkt. Diese Aufgabe wurde 1973 um die Fusionskontrolle erweitert. Heute prüft das Amt über 800 Fusionen pro Jahr. Die Verfahren müssten zügig abgeschlossen werden. Denn wenn das Amt in einfachen Fällen nach einem Monat, bei schwierigen Fällen nach fünf Monaten keine Entscheidung getroffen hat, gilt die Genehmigung per Gesetz als erteilt. Die oft außerordentlich umfangreichen Schriftsätze verlangten der begrenzten Zahl von Mitarbeitern viel ab. Hier bestehe im Amt die Hoffnung, künftig durch den Einsatz neuer Technologien, möglicherweise auch durch den Einsatz künstlicher Intelligenz, wirksame Entlastung zu bekommen.

 

Das Amt betreibt ein intensives Monitoring bei der Preisgestaltung an den Tankstellen sowie bei der Erzeugung und dem Großhandel mit Strom und Gas. Über die Markttransparenzstelle Kraftstoffe werden Echtzeit-Daten über sämtliche Preisänderungen an den Tankstellen verfügbar gemacht. Und  2023 seien die Aufgaben des Bundeskartellamtes nochmals erweitert worden, und zwar um die Missbrauchsaufsicht bei der Handhabung der Energiepreisbremsen.

 

Die Zeiten, in denen Ermittlungserfolge im Rahmen der Kartellverfolgung nur auf der Entdeckung von Textnachrichten beruhten, seien vorbei, betonte der Präsident, da heute selbstverständlich neue Kommunikationsformen genutzt würden. Trotzdem blieben Erfolge nicht aus. Das sei insbesondere der Kronzeugenregelung zu verdanken. Wenn Kartellbeteiligte in diesem Rahmen als Kronzeugen dazu beitragen, ein Kartell zwischen Wettbewerbern aufzudecken, kann das Bundeskartellamt ihnen die Geldbuße vollständig erlassen oder ermäßigen. Auch wenn anders als in den USA der Einsatz von V-Leuten nicht gestattet ist, konnten zahlreiche Verfahren mit gewichtigen Sanktionen abgeschlossen werden.

 

Das Amt hat im Bereich der digitalen Ökonomie viele Erfolge erzielt. Als Beispiel nannte Mundt unter anderem Verfahren gegen Amazon, gegen Hotelbuchungsportale und gegen Facebook.   Bei Hotelbuchungsportalen sei man gegen Klauseln vorgegangen, die die Preissetzungsfreiheit der Hotels eingeschränkt hatten. Und bei Amazon habe man Verbesserungen für Händler erwirkt (z.B. seien Haftungsregeln verbessert worden, Regelungen zu Kündigung / Sperrung von Accounts und des Gerichtsstands, der vorher auf Luxemburg begrenzt war). Bei Facebook sei man gegen die die Datenzusammenführung aus verschiedenen Quellen ohne freiwillige Einwilligung vorgegangen und habe angeordnet, dass die Daten insoweit getrennt bleiben müssten. Dies Verfahren sei allerdings noch anhängig vor Gericht.

 

Neben den konkreten kartellrechtlichen Verfahren stellten sich in der Digitalwirtschaft aber auch sehr fundamentale Fragen wie zum Beispiel: Wie schafft man es, die in der offline Welt geltenden Wertvorstellungen und Regeln auf die online Welt zu übertragen?

 

Das Kartellrecht ist in der Europäischen Union weitgehend harmonisiert. Die EU verfügt über ein eigenes Wettbewerbskommissariat. Nicht nur dann, aber insbesondere bei den Auseinandersetzungen mit den Internet-Giganten sind in der Regel die meisten oder sämtliche EU-Länder betroffen. Das setze ein vertrauensvolles Miteinander der verschiedenen Behörden unabdingbar voraus, so der Präsident. Im ECN (European Competition Network) werde abgeklärt, welche Behörde welche Fälle bearbeiten soll.

 

Die internationale Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehörden klappe hervorragend. Daran mitzuwirken setze freilich eine konferenzsichere Beherrschung der englischen Sprache voraus. Wer über diese Voraussetzung nicht verfüge, habe es schwer, in der Kartellbehörde in die gehobenen Positionen zu gelangen. Ohnehin sei die Suche nach geeignetem Nachwuchs angesichts des inzwischen erreichten Gehaltslevels für Berufsanfänger in großen Firmen und Kanzleien nicht einfach. Gleichwohl sei es gelungen, an dem Standard des Amtes festzuhalten.

 

Abschließend betonte er nochmals: Primäre Aufgabe seines Amtes sei es, die Voraussetzungen für einen fairen Wettbewerb im Blick zu haben, nicht aber, in die Preisbildung einzugreifen.

 

Der Präsident erhielt für seine lebhaften Ausführungen langen und dankbaren Applaus. Trotz des komplexen juristischen und ökonomischen Hintergrundes war es ihm gelungen, unter Verzicht auf jedes Fachchinesisch die Aufgaben und die Arbeitsweise seines Amtes anschaulich und doch mit inhaltlicher Tiefe zu schildern.

(Foto: Schäfer)